Schimmelpilze auf Lebensmittel – Übeltäter oder Wohltäter?

Ja, Schimmelpilze sind nicht nur die Grundlage vielen Übels, sondern sie können dir bekanntermassen auch ein besonders pikantes Geschmackserlebnis servieren. Man denke nur an berühmte Edelschimmelkäsesorten wie den französischen Roquefort oder den englischen Stilton, ein ebenso berühmter und geschmacklich hochwertiger Blauschimmelkäse wie der Roquefort. Der Edelschimmelpilz verleiht den Käsesorten nicht nur die typischen bläulichen Farbeinschlüsse, sondern ist auch für ihre besondere Geschmacksnote verantwortlich. Über einen bestimmten Schimmelpilz sind sogar Winzer hochentzückt, wenn er ihre späten Trauben befällt. Die von der Grauschimmelfäule heimgesuchten Weinbeeren bilden die Grundlage für die Produktion der lukrativen Trockenbeerenauslese, der höchstmöglichen Stufe eines Prädikatsweines mit dem höchstmöglichen Verkaufspreis. Abgesehen von ihrem Ausflug in den Gourmetbereich, machen Schimmelpilze auch als Grundlage bestimmter Antibiotika wie dem Penicillin von sich reden. Penicilline werden von Schimmelpilzen der Gattung Penicillium abgesondert und wirken auf die meisten Bakterien toxisch, weil sie die Synthese der bakteriellen Zellwände verhindern und damit das Wachstum der Bakterien unterbinden.

Schimmelpilze, von denen es weitaus mehr als 100.000 Arten gibt, werden der Gruppe der Schlauchpilze (Ascomyceten) oder der Gruppe der Jochpilze (Zygomycota) zugeordnet und leben normalerweise unauffällig fast überall in der Natur und im Boden als Resteverwerter abgestorbener organischer Substanz (Saprobionten). Was Schimmelpilze auszeichnet, sind ihre langen, aber extrem dünnen Hyphen (Pilzfäden), die sich vielfach verzweigen und ein regelrechtes Pilzgeflecht ausbilden können. Was die einzelnen Schimmelpilzarten voneinander unterscheidet, sind die Art ihrer Sporen oder Konidien, ungeschlechtlich erzeugte winzige „Samen“, die der Vermehrung dienen und dem sichtbaren Teil der Schimmelpilze ihre typische graue bis grüne Farbe und ihre manchmal „staubig“ oder samtig erscheinende Oberfläche verleiht. Einige Arten begleitet aber auch der zweifelhafte Ruf, befallene Lebensmittel mit Mykotoxinen (Schimmelpilzgiften) zu verseuchen, die bereits in geringsten Mengen für den Menschen schädlich sein können und zu den ernstzunehmenden Gesundheitsrisiken gezählt werden.

Die Frage ob Schimmelpilze auf Lebensmittel Übeltäter oder Wohltäter sind, kann deshalb nicht eindeutig mit einem ja oder nein beantwortet werden. Es kommt auf die Art des Schimmelpilzes an, auf die Beschaffenheit des betroffenen Lebensmittels, auf die Umweltbedingungen sowie auf die Funktionstüchtigkeit deines Immunsystems. Sichtbarer Schimmel auf Lebensmitteln ist mit wenigen Ausnahmen gesundheitsgefährdend.

Worin besteht die konkrete Gefahr, die von Schimmel ausgeht?

Einige wenige Arten von Schimmelpilzen wie der schwarze oder der rauchgrüne Giesskannenschimmel (Aspergillus niger, Aspergillus fumigatus) produzieren sogenannte Mykotoxine. Das sind Gifte, die ab einer bestimmten Konzentration als stark gesundheitsgefährdend eingestuft werden. Mykotoxine können Leber oder Nieren schädigen sowie das Zentralnervensystem. Darüber hinaus können sie krebserregend (kanzerogen) sein, das Immunsystem unterdrücken, Einfluss auf Stoffwechselprozesse nehmen und die Leibesfrucht schwangerer Frauen schädigen. In vielen Fällen lösen Mykotoxine allergische Reaktionen aus. Dabei geht die Gefahr nicht nur von den Pilzhyphen selbst aus, sondern auch von den Pilzsporen, die als „Staub“ in der Luft zu finden sind.

In den meisten Fällen besteht die Auswirkung des Schimmels auf Lebensmitteln allerdings darin, die betroffenen Lebensmittel zu „verderben“, sie hinsichtlich Geruch und Geschmack so zu verändern, dass sie für uns Menschen ungeniessbar erscheinen.

Schimmelpilze reagieren in ihrem Wachstum sehr stark auf für sie günstige Umweltbedingungen. Sie lieben es feucht und warm und bevorzugen Lebensmittel mit hohem Wassergehalt wie ihn die meisten frischen Früchte bieten. Allerdings sollte beachtet werden, dass die Pilze nicht nur extreme Temperaturen von minus 10 Grad C bis plus 60 Grad aushalten, sondern bei diesen Bedingungen auch langsam weiter wachsen. Erst Temperaturen von minus 18 Grad wie sie im Gefrierschrank herrschen, stoppen ihr Wachstum.

Musst du dich vor Lebensmitteln mit sichtbarem Schimmelbefall fürchten?

Bei Schimmelbefall, der beispielsweise bei Früchten bereits mit blossem Auge zu erkennen ist, kann man davon ausgehen, dass bereits große Teile der Früchte von den Pilzfäden durchzogen sind und sich die Mykotoxine nahezu in der gesamten Frucht verbreitet haben. Es reicht daher nicht aus, die sichtbaren Schimmelstellen großzügig herauszuschneiden, sondern es wird dringend angeraten, in diesen Fällen die gesamte Frucht im Restmüll zu entsorgen, um eventuellen Gesundheitsschäden vorzubeugen und um die Ansteckung anderer Früchte durch Sporen der Schimmelpilze zu vermeiden. Ausnahmen bilden lediglich Konfitüren mit über 60 Prozent Zuckergehalt, weil die Schimmelpilze eine so hohe Zuckerkonzentration nicht vertragen und Hartkäse sowie luftgetrocknete Salami- und Schinkensorten. Hier reicht ein großzügiges Herausschneiden etwaiger Schimmelstellen, weil die Schimmelpilzhyphen kaum in das Lebensmittel eindringen können und nur oberflächlich vorhanden sind.

Besondere Vorsicht ist für Menschen geboten, deren Immunsystem durch Krankheit oder künstlich geschwächt ist wie das beispielsweise bei einer Chemotherapie oder zur Unterdrückung von Abstoßungsreaktionen der Fall ist. Im Normalfall ist das Immunsystem in der Lage, die nahezu allgegenwärtige Belastung mit Schimmelsporen erfolgreich abzuwehren, ohne dass gesundheitliche Schäden entstehen.

Welche wichtigen Lebensmittel können mit Mykotoxinen kontaminiert sein?

Während Schimmelpilzbefall bei frischen Früchten in der Regel sichtbar ist, so dass die Gefahr einer Vergiftung mit Mykotoxinen vermieden werden kann, ist bei verarbeiteten Lebensmitteln eine Kontamination mit Mykotoxinen nicht ohne weiteres erkennbar. Das Problem besteht darin, dass die Giftstoffe weder durch Kochen, Braten, Backen oder sonstige im Haushalt übliche Behandlungsmethoden unschädlich gemacht werden.

Getreideprodukte können Mykotoxine und Aflatoxine enthalten

Getreidearten wie Roggen, Gerste, Hafer, Weizen, Sorghumhirse und Mais können bei entsprechenden Witterungsbedingungen von Mutterkorn befallen sein. Es handelt sich um einen Schimmelpilz, der zur Ausbildung einzelner dunkel-violetter Mutterkörner an den Getreideähren führt. Im Mutterkorn sind Alkaloide enthalten, die bereits in geringen Mengen giftig sind und unter anderem Halluzinationen – ähnlich wie LSD – auslösen können. Wenn aus Getreide, das mit

Mutterkorn kontaminiert ist, Mehl oder andere Produkte hergestellt werden, enthalten auch das Mehl und die anderen Produkte die gefährlichen Alkaloide. Bei Getreide, das in der hiesigen Mühlenindustrie verarbeitet wurde, ist allerdings Entwarnung angesagt, weil Mutterkorn mittlerweile weitestgehend mechanisch aus dem Mahlgut per aufwändigem Farbscanner herausgelesen wird, nicht aber bei Getreide, das direkt vom Bauernhof bezogen wird.

Milchprodukte und Käse können Mykotoxine enthalten

Auch Milchprodukte und bestimmte Käsesorten, die aus Rohmilch oder Sauermilch hergestellt werden, können mit Ausnahme von Gouda gesundheitsschädigende Mykotoxine enthalten.

Erdnüsse und Baumwollsaat sind häufig mit Mykotoxinen kontaminiert

Selbst Lebens- oder Genussmittel wie Erdnüsse oder Baumwollsaat oder andere ölhaltige Produkte, die beispielsweise in Kartoffelchips zu finden sind, weisen häufig eine nicht unbedenklich hohe Konzentration an Mykotoxinen und Aflatoxinen aus.

Kommentar hinterlassen

Bitte beachten Sie, Kommentare müssen genehmigt werden, bevor sie veröffentlicht werden.

Letzte beiträge